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Mittwoch, 23. März 2011

Sitzbadewanne


Mama und Papa stehen im Flur, unter ihnen auf dem Boden steht ein Karton. Sie streiten sich über den Inhalt.  Meine Mutter weint. Sie versucht unter Tränen zu erklären das die Nutella und das Brot reichen werden. Mein Vater ist dagegen. Wir sollen gehen.  Ich stehe am Türrahmen, sie sehen nicht das ich dort stehe, wissen nicht das die Worte mich erreichen und mich verwirren. So sehr wie die Tatsache dass meine Mutter weint. Ich verstehe nicht wohin wir gehen sollen. Und wer ist wir. Ich möchte nicht weg von Papa vor allem will ich aber nicht weg von Oma. 
Dann fährt uns Papa an den Bahnhof setzt uns in einen Bus. Er ist voll und es riecht nach Regen, ich halte meine Puppe fest und streichel ihren roten Regenmantel glatt.  Draußen regnet es in Strömen, doch an diesem Bild stimmt etwas nicht.  Meine Mama und ich wir sind im Bus doch Papa steht draußen im Regen. Jetzt erst registriere ich dass in diesem Bus alle Frauen weinen.  Ich sehe durch die Scheibe, sehe die Tränen in Papas Augen, dann nimmt er seine Hand drückt sie gegen die Scheibe und ich drücke meine von innen gegen die Scheibe. 
Jetzt wache ich auf, weinend manchmal schreiend. Was ich gesehen habe bin ich selbst. Mit 5 Jahren. Auf der Flucht. Dieser Traum raubt mir in manch einer Nacht  den Schlaf, auch wenn es schon lange her ist.  Besonders holt es mich ein wenn es regnet.  Wenn es draußen Blitzt und stürmt  möchte ich am liebsten sofort aufhören zu existieren, sofort verändert sich in meinem inneren die starke Frau die ich geworden bin,  zu dem kleinen Mädchen das Angst vor dem hat was als nächstes kommt.  Nichts möchte ich lieber als mich an solchen tagen Sicher und geborgen fühlen.  

Ich kam in diesem Hotel an und war gespannt auf alles Neue.  Ich wollte meinen Alltag nicht von dem bestimmen lassen was war. Es hatte mich genug geprägt.  Schmeiße meinen Koffer auf das Bett, schaue mich um. Als ich das Bad öffne erwischt es mich wie ein schlag ins Gesicht. Damit hatte ich nicht gerechnet.  Nachdem aus dem kleinen Mädchen eine Frau geworden ist kehrten  Mama und ich zurück in das Haus aus dem wir geflohen waren.  Es wirkte so winzig so verlassen, so leblos. Innen war der Boden zerstört man konnte sich nicht frei bewegen. Das hier war mir einst so riesig vorgekommen. Alles war unerreichbar. Selbst die Badewanne in der ich immer geplantscht hatte, sah jetzt so schäbig und winzig aus. Was ich jetzt weiß, es ist eine Sitzbadewanne. Genau das was sich jetzt in diesem Hotel vor mir Ofenbarte. Reflexartig weiche ich zurück bis ich mit dem Rücken zur Wand stehe. Die Bilder dieser Wanne verbinden sich mit unzähligen Bildern in meinem Kopf. Es fällt mir schwer zu atmen. Wer baut auch schon ein Hotel mit solch einem Folterobjekt? Man kann nur eine Volldusche darin machen oder ein Halbbad. Dieses etwas ist so kurz das ich nicht einmal darin sitzen könnte, geschweige den stehen. Warum auch immer hat es eine Neigung in der man sich selbst beim Duschen fühlt als würde man noch in den High-heels stecken.  Entspannend ist das nicht. Wie konnte ich als Kind darin plantschen? Wie winzig war ich nur?!
Toll und jetzt stehe ich da und weis nicht ob ich dem ganzen gewachsen bin, wie kann ein Konstrukt aus Fliesen und sonst was mich so aus der Bahn werfen.  Doch ich bin keine fünf mehr.  Es macht nicht wirklich Spaß in diesem Ding zu stehen, kommt mir eher so vor als würde ich versuchen ein Bad in einem Waschbecken zu nehmen. Warum werden so Dinge gebaut in ein Hotel? Sie sind zu hoch und zu eng und zu kurz. Eine Dusche wäre doch vernünftiger. Aus diesem Ding auszusteigen ist lebensgefährlich. Es ist zu rutschig und man hat keine Möglichkeit sich festzuhalten.
Ein Hotelzimmer erzählt wohl viele Geschichten man muss nur wissen wie man sie zu lesen hat. Für manche ist es der Regen der gegen das Fenster prasselt, für andere das Doppelbett das nur auf einer Seite gedeckt ist und so die Einsamkeit des Raumes  wiederspiegelt, oder das Besteck beim Frühstück das so oft schon gedeckt wurde und von so vielen Menschen benutzt wurde.  Die Tür durch die schon so viele gekommen und gegangen sind ohne ihre Geschichte zu erzählen. So wie ich meine weiter mitnehme, und versuche vor ihr wegzulaufen. Weil es Geschichte ist.  Sie prägt uns doch sie sollte unsere Zukunft nicht verhindern.

1 Kommentar:

  1. An der Stelle erstmal toller Text ;-). Das mit der Erinnerung hast du gut beschrieben ich selbst habe leider auch etwas sehr trauriges erlebt als ich noch sehr klein war und diese Erinnerung holt mich immer wieder ein... . Wichtig an der Stelle ist sich der Vergangenheit und Zukunft bewusst zu ein aber niemals vergessen dabei zu leben. Und noch viel wichtiger egal wie hart dich das Leben fickt immer wieder aufzustehen den darin liegt die wahre Stärke eines Menschen.

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